Reiseberichte

Helke Fussell – Teil 1

Landwirtschaft in Musa

Seit Annas Besuch hat sich einiges verändert.
Die Tomaten sind geerntet. Die Erträge waren nicht ganz so hoch wie erhofft, aber doch akzeptabel.Nun konzentriert sich alles auf den Chilianbau. Ein Arbeiter aus der Chili-Experten-Region ist in Musa geblieben, um dort mitzuarbeiten. Er und Papa, Babakars Halbbruder, kümmern sich jetzt hauptberuflich um den Gemüseanbau. In Musa wird es noch ein bis zwei Wochen dauern, bis die größeren Ernten eingefahren werden können.

Doch Babakar hat in Djolie, nahe der gambischen Grenze auch zwei Felder gepachtet und beschäftigt drei heimische Arbeiter vor Ort. Die ersten Ernten haben wir gemeinsam abgeholt, 47 kg, superscharfe Chilis. Ich habe einmal draufgebissen, ein Erlebnis, das ich nicht vergessen werde.
Inzwischen wird von Ernten über 200kg in der Woche berichtet. Der Chili Anbau ist ein voller Erfolg!

Auf den großen Feldern in Musa werden während der Regenzeit Hirse und Erdnüsse angebaut.

Ein Feld ist frei geblieben für Melonen, deren Anbau zu einem späteren Zeitpunkt folgt.



Die Hühner haben sich inzwischen auf 70 reduziert. Und auch diese werden während unseres Aufenthaltes noch geschlachtet. Caspar, der Journalist der FAZ hat bei diesem Ereignis zugeschaut, ich habe mich nicht getraut. Es war erst der zweite Tag in Kaffrine und ich hatte noch mit der Hitze und den veränderten Bedingungen zu tun. Die Schlachtzeremonie hätte ich sicherlich nicht verkraftet…
Da das Opferfest Tabaski bevorstand, zu dem Schafe geschlachtet werden, waren Hühner in dieser Zeit nicht gefragt, deshalb pausiert die Zucht bis nach der Regenzeit.



Die Familien aus Musa haben inzwischen ihr eigenes Feld, mit dem sie sich selbst versorgen können. Babakar hat es ihnen zur

Verfügung gestellt und zahlt das Wasser für die Bewässerung. Sie sind damit sehr zufrieden und bauen gemeinsam Gemüse an.


Doch der Wasseranschluss hat sich inzwischen zu einer Herausforderung entpuppt. Die Investition in die Wasserleitung war anfangs sehr fortschrittlich und sorgt für sauberes Trinkwasser für die Dorfbewohner.

Durch die Bewässerung der Felder mithilfe des Wasseranschlusses stieg der Wasserverbrauch und damit verbunden die Wasserrechnung um ein Vielfaches. Die Wasserrechnungen fressen mittlerweile große Teile der Erträge der Landwirtschaft auf. Des Weiteren ist Babakars Landwirtschaft so indirekt abhängig von staatlichen Wasserunternehmen.



Der alte Dorfbrunnen existiert aber immer noch. Babakar hat eine Dorf-Versammlung einberufen, in der ich vorgestellt wurde und erklärte, wie das Dorfleben vor der Wasserleitung aussah.

Es wurde beschlossen, den Brunnen wieder zu aktivieren und mithilfe einer Solarpumpe, Wasser für die Bewässerung der Felder zu beschaffen. So bleibt das Wasser aus der Leitung als Trinkwasser für die Dorfbewohner erhalten und die Wasserrechnung sinkt auf ein akzeptables Maß.

Helke Fussell – Teil 2

Auf dem Hof von Babakars Mutter eingeladen zu sein und in Babakars neuem Haus schlafen zu dürfen, war mir eine große Ehre. Die Begegnungen die ich dabei mit den Frauen am Hof, Babakars Mutter, seine Frau Cothia, seine Schwiegermutter, Schwestern von Babakar und Schwägerinnen machte, waren für mich jedoch schwierig.


Es war offensichtlich, dass wir aus ganz anderen Welten kommen. Es schien fast ein bisschen wie das einfache Leben in Deutschland vor 100 Jahren.In farbenfrohen Kleidern und Röcken, die man bei uns nur zu besonderen Anlässen tragen würde, bereiteten die Frauen unter freiem Himmel das Essen für mehrere Dutzend Leute vor. Sie saßen zusammen, wuschen und schnitten Gemüse und kochten die Mahlzeit über offenem Feuer. Für die unterschiedlichen Gruppen, die zu versorgen waren, wurden einzelne Schalen mit Essen vorbereitet. Babakar fuhr mit einer davon mit seinem Moped zu seinen Arbeitern auf die Plantage nach Musa.Auch die Wäsche wurde noch von Hand gewaschen, mit viel Omo, das kräftig schäumt. Ein Kohlebügeleisen wie aus Großmutters Zeiten wurde danach auf dem Boden zum Bügeln verwendet. Ein solcher Waschtag ist eine große Anstrengung, besonders bei der HItze. Babakars Frau Cothia erledigte diese Aufgabe mit viel Hingabe und wusch so die Kleidung der ganzen Familie.Bis auf die Mutter sprachen alle Frauen nur Wolof, denn keine von ihnen hatte die Schule besucht. Große Erwartungen an die Toubab (Wolof= „Weiße“) gab es trotz der Sprachbarriere, „Schenkst du mir ein Telefon?“ war die erste Frage auf gebrochenem Französisch.

Helke Fussell – Teil 3

Der Marabout und der evangelische Pfarrer

Es hat mich beeindruckt, wie friedlich und respektvoll der Islam und das Christentum im Senegal neben- und miteinander leben. 
Am ersten Sonntag meines Aufenthaltes bin ich auf Anraten von Babakars streng muslimischen Freunden in die evangelische Kirche gegangen. 


Der Pfarrer sprach bestes Französisch und war auch gleichzeitig der Schuldirektor der evangelischen Schule. Ein sehr sympathischer Mann mit einer wundervollen Singstimme. Die Lieder auf Wolof waren melodiös und einprägsam.

Er erklärte mir im Anschluss, dass die meisten Schüler seiner Schule muslimischen Glaubens sind. Vor der Schule werden zwar christliche Gebete angeboten, doch in der Schulzeit wird die Religion nicht thematisiert. 


Es gibt aber auch franco-arabische Schulen im Senegal, die den fundamentalistischen Islam verbreiten möchten. Einige wurden bereits geschlossen, oft herrscht ihnen gegenüber Skepsis. 
Auch den Marabout von Babakar und seinem Freund Abdul Aziz durfte ich kennenlernen. Marabouts sind spirituelle Seelsorger und Ratgebende, ihre Worte sind von hoher Wichtigkeit für die Einheimischen. Der Marabout, ein charmanter Herr, stellte sich bereitwillig unseren Fragen.
Ich bin gleich ins Fettnäpfchen getappt, indem ich die Abfallproblematik direkt angesprochen habe.

Sowas macht man im Senegal nicht, das ist eigentlich sehr indiskret. „Ihr Europäer wollte immer unsere Probleme lösen, die wir gar nicht haben“, lenkte der Marabout ab und hatte damit recht. Für viele Themen schienen die Senegalesen gar kein Problembewusstsein zu haben.


Caspar Schwietering, der Journalist der FAZ, stellte die interessante Frage, wie der Rat lauten würde, wenn die Menschen fragen, ob sie nach Europa aufbrechen sollten.

Die Antwort des Marabouts war direkt: „Ja, natürlich, hier im Senegal gibt es ja keine Perspektiven“. Über diese Antwort des Ratgebenden war ich fassungslos.Doch die anschließende Gebetszeremonie, der wir beiwohnen durften, berührte mich. Das Ritual, die Hingabe, der Gesang, diese Gebete schienen den Menschen vor Ort viel Halt zu geben.